Rezension von
Daniel Loick, Anarchismus zur Einführung (Hamburg: Junius, 2017)

Die Einführungsbände des Junius-Verlags dienten schon zu meiner Studienzeit Anfang der 1990er Jahre dazu, mir einen ersten Überblick über Persönlichkeiten und Themen zu verschaffen, die meine Neugierde geweckt hatten.

Umso erfreulicher ist es, dass der Verlag jetzt eine Einführung in den Anarchismus vorlegt, die all meine positiven Erinnerungen an die kleinen, kompakten Büchlein bestätigt. Mit Daniel Loick konnte ein Autor für die Aufgabe gewonnen werden, der diese mit dem nötigen Ernst anging. Neben einem umfassenden Studium alter und neuer Texte zum Anarchismus überzeugt das Buch durch ein profundes Verständnis anarchistischer Basisbewegungen.

Loick teilt seine Einführung in drei Hauptkapitel:

Im ersten bespricht er den Anarchismus ausgehend von drei unterschiedlichen Interpretationen: als Philosophie, als politische Bewegung und als Lebensform. Es ist wichtig, diese Unterscheidungen zu treffen, da bei Streitigkeiten um die Definition des Anarchismus allzu oft aneinander vorbeigeredet wird.

Im zweiten Kapitel widmet sich Loick einigen der herausragenden Persönlichkeiten des sogenannten klassischen Anarchismus, der von circa 1870 bis 1930 währte. Unter der Rubrik „Individualistischer, libertärer und liberaler Anarchismus“ finden sich William Goldwin, Max Stirner sowie Ralph Waldo Emerson und Henry David Thoreau als Repräsentanten des Amerikanischen Transzendentalismus; unter der Rubrik „Mutualistischer, kollektivistischer und kommunistischer Anarchismus“ werden Pierre-Joseph Proudhon, Michail Bakunin, Peter Kropotkin, Gustav Landauer und Emma Goldman vorgestellt. Alle Porträts bestechen durch Klarheit und Genauigkeit.

Auswahlen dieser Art sind immer schwierig zu treffen. In einem Band wie diesem macht es Sinn, sich an den etablierten Kanon zu halten. Loick problematisiert dies mit dem Verweis darauf, dass mit dem „Charakter einer self-fulfilling prophecy … immer dieselben Theoretiker_innen vorgestellt werden“ (vorwiegend „weiße Männer“). Er schreibt: „Je mehr eine bestimmte Autor_in erwähnt wird, desto mehr wird sie als relevant angesehen, was wiederum ihre herausgehobene Stellung rechtfertigt.“ Aber: „Immerhin liefern die behandelten Autor_innen selbst … die Argumente, die sich für die Abschaffung ihrer eigenen Privilegierung ins Feld führen lassen.“ (S. 48-49)

Im dritten Kapitel, das Loick als „Kernstück des Buches“ bezeichnet (S. 14), wendet sich der Autor zentralen Themen des Anarchismus zu: der Freiheit, dem Staat, dem Kapitalismus, aber auch Geschlechterverhältnissen, Rassismus und der Ökologie. Zudem werden Organisations- und Aktionsformen besprochen. Hier gelingt es Loick, die Relevanz anarchistischer Ideen gerade auch in aktuellen politischen Debatten hervorzuheben. Damit löst er sein einleitendes Versprechen ein, „für die grundsätzliche Plausibilität anarchistischer Theorie und Praxis“ zu plädieren. (S. 13)

In einem abschließenden Kapitel mit dem Titel „Ordnung und Unordnung des Anarchismus“ werden die Hauptthesen des Buches zusammengefasst und noch einmal die „Praxisorientierung“ des Anarchismus gelobt.

Daniel Loick gelingt mit seiner Einführung ein doppelter Coup: Er legt erstens den aktuell hilfreichsten deutschsprachigen Abriss zum Anarchismus vor und er tut dies zweitens auf eine Weise, die auch mit der Materie vertraute Leser*innen dazu anregt, spezifische Fragen noch einmal aufzugreifen, die eigenen Perspektiven zu schärfen und entsprechende Diskussionen mit anderen zu initiieren. Ein Erfolg!

gk
(Juni 2017)