Rezension von
Merle Mulder, Straight Edge: Subkultur, Ideologie, Lebensstil? (Münster: Telos Verlag, Erweiterte Neuauflage 2010)

Im Frühjahr 2010 erschien im Telos Verlag aus Münster die »Erweiterte Neuauflage« von Merle Mulders Buch Straight Edge: Subkultur, Ideologie, Lebensstil? – dies deutet darauf hin, dass mit diesem Buch nicht nur eine sozialwissenschaftliche Lücke gefüllt wurde, sondern dass dies zur Zufriedenheit der LeserInnen geschah. Die Kritik, die vereinzelt an der Erstauflage formuliert wurde, schien im Wesentlichen von falschen Erwartungshaltungen auszugehen. Mulder beansprucht nicht, ein Szenebuch abzuliefern. Es handelt sich vielmehr um eine soziologische Studie, mit der die Autorin ihr Universitätsstudium abschloss.

Das heißt nicht, dass die Relevanz des Textes auf ein universitäres Publikum beschränkt bleibt. Das erste Drittel bietet einen sorgfältig gegliederten Überblick über die Geschichte eines Phänomens, das sich in den letzten dreißig Jahren zu einer festen Größe innerhalb der Punk/Hardcore-Kultur entwickelt hat und dessen kleinster gemeinsamer Nenner – bei allen unterschiedlichen Detailauslegungen – der Verzicht auf Alkohol, Tabak und (andere) Drogen ist. Mulders Darstellung sucht auf Deutsch seinesgleichen und bietet dank der umfangreichen Literaturhinweise ein wertvolles Sprungbrett für weitere Studien.

Der Rest des Buches widmet sich der Frage, ob Straight Edge als Subkultur, Ideologie oder Lebensstil zu begreifen sei. Mulder analysiert Straight Edge dabei unter verschiedenen theoretischen Voraussetzungen, die von Rolf Schwendters Subkulturverständnis über den marxistischen Ideologiebegriff bis zu Pierre Bourdieus Klassenanalyse reichen. Für den von der Autorin gezogenen Schluss, dass sich das Straight Edge besonders gut mit dem Lebensstilkonzept des an der Universität Konstanz lehrenden Soziologen Werner Georg erklären und fassen lässt, wird überzeugend argumentiert.

Der augenscheinlichste Einwand ist vielleicht jener, dass Straight Edge kein homogenes Phänomen ist und sich daher eindeutigen Zuschreibungen entzieht. Einfach gesagt, kann Straight Edge – auch nach den von Mulder verwendeten Kriterien – Subkultur genauso sein wie Lebensstil, Ideologie oder auch anderes, je nachdem in welchen Kontexten und mit welchen Inhalten und Ansprüchen es auftritt. Sich einer detaillierten Analyse dieser Pluralität anzunehmen, wäre vielleicht Aufgabe eines Folgebandes.

In der Zwischenzeit sei Straight Edge: Subkultur, Ideologie, Lebensstil? allen LeserInnen empfohlen, die sich in irgendeiner Form für Straight Edge interessieren – sei es als Teil der Kultur oder als interessierte BeobachterInnen.

gk

(Juli 2010)